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Normale Version: Trennung von Staat und Kirche in Sicht?
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Simitis sagte vor ein paar Jahren, dass die Griechen "noch nicht reif" seien fuer die Trennung von Staat und Kirche, was sich damals an der Diskussion um die Angabe der Religion im Personalausweis zeigte.

Dennoch gibt es grosse Teile der Bevoelkerung, die den starken Einfluss der Kirche in die Politik fuer anachronistisch halten. Dieser Einfluss ist nicht einfach nur good-will, er ist in der Verfassung festgeschrieben und so musste es zu dem kuerzlichen Skandalurteil kommen, der ein deutsches Buch verbot und den Verfasser mit Gefaengnisstrafe wegen Gotteslaesterung bedroht. Da diesmal ein Auslaender betroffen ist, gab es auch internationales Aufsehen - dass vor wenigen Wochen ein Liederbuch einer Griechin mit Monotragouda riesige Aufregung verursacht hatte, war ueber die Landesgrenzen hinaus nicht zur Kenntnis genommen worden.

Nun ist die Regierung in einem noch groesseren Dilemma: die griechische Verfassung mit ihrer Festschreibung der christlich-orthodoxen Religion widerspricht der europaeischen Verfassung, die Religionsfreiheit gwaehrt. Es *muss* also jetzt etwas passieren, EU is everywhere. Soweit zur Ursache.

Der Anlass war schnell gefunden, denn er ist ja im Alltag Gang und Gaebe. Es gibt nun einen gepushten Fall von Korruption, in dem sich ein Kirchenfuerst von einem drohenden Gerichtsverfahren freikaufen wollte. Ansich nichts Ungewoehnliches, aber heute schon.

Der Athens News-Kommentar

http://www.athensnews.gr/athweb/nathens....aa=9</A&gt;

spricht aus, was viele denken. Sogar die eher dem rechten Lager zuzuordnende H Kathimerini kann sich nicht mehr ganz entziehen, gleichwohl eine Trennung von Kirche und Staat nicht unbedingt als erstrebenswert angesehen wird.

Da sich nun neuerlich nach Interpol-Bestaetigung ergeben hat, dass die Kirche sogar mit Drogenbossen zusammenarbeitet,

http://www.ekathimerini.com/4dcgi/_w_art...2856</A&gt;

bleibt sogar ihnen die Spucke weg.

Schaun mer mal, wie's weitergeht.

Karamanlis ist in einem echten Konflikt. Die ND ist eng mit der Kirche verflochten, andererseits *muss* die griechische Verfassung der europaeischen angeglichen werden. Der politische Druck aus dem Ausland ist enorm.

Ich glaube, dass zunaechst Erzbischof Christodoulos abgesaegt wird (meine persoenliche Meinung ueber ihn kann sich vermutlich jeder vorstellen). Danach wird man mit einem liberaleren Erzbischof verhandeln und sich auf die Trennung von Kirche und Staat einigen, alles in bestem Einvernehmen. Die Kirche wird eine fette geldliche Abfindung erhalten, Steuerfreiheit behalten und alle sind's zufrieden.

Denke ich mal. Was meint ihr?

Carmen
Simitis war der vorherige Ministerpraesident, gehoert der PASOK an, der sozialdemokratischen Partei. Abgeloest durch Karamanlis, Nea Dimokratia, der CDU aehnlich. Allerdings sind die Unterschiede der Parteien nicht wirklich vorhanden und die deutschen Raster Sozis = eher fortschrittlich, Christdemokraten = eher konservativ gelten fuer Griechenland nicht. Hier zeigt sich die ND als Reformpartei.

Monotragouda koennte man als "ziemlich versautes Volksliedgut" bezeichnen. Lieder, die nie aufgeschrieben worden waren, aber die jeder kennt und jeder singt, die ausschliesslich und sehr, sehr deutlich Sex besingen (siehe Wortschoepfung aus moni + tragoudi).

Erzbischof Christodoulos ist das Oberhaupt der attischen Kirche und der Kirche ganz Griechenlands, aber nicht der oberste Boss, dieser sitzt in Istanbul (Konstantinopouli). Da Betreiber von Internetseiten rechtlich verantwortlich fuer deren Inhalt sind, insbesondere fuer die Wahrung der Persoenlichkeitsrechte Dritter und ich ueberhaupt keine Lust habe, angezeigt zu werden, enthalte ich mich jeglichem weiteren Kommentars oder auch nur einer Beschreibung seiner Persoenlichkeitsstruktur...
Darf ich kurz ergänzen?
Der Patriarch von Konstantinopel ist nicht der "oberste Boss" der griechischen Kirche, oder irgend einer anderen orthodoxen Kirche. Die Situation ist ein wenig komplizierter, da historisch gewachsen. Vor der Entstehung des griechischen Staates war der Patriarch in der Tat für alle Griechisch-Orthodoxen, unabhängig von ihrer Nationalität, das religiöse Oberhaupt (meist waren es Angehörige des osmanischen Reiches). Nach Staatsgründung 1830 und bis 1912 wurde die autonome griechisch-orthodoxe Kirche gegründet, deren Hauptquartier in Athen ist und heute von dem netten Herrn Christodoulos angeführt ist. Allerdings vergrößerte sich das Staatsgebiet Griechenlands nach 1912 bedeutend, nämlich um Mazedonien und Thrazien. Die dort lebenden Griechisch-Orthodoxen waren und sind bis heute direkt dem Patriachen in Konstantinopel unterstellt, nur werden sie der Einfachheit halber von der griechisch-orthodoxen Kirche (Athen) mit verwaltet. Aber Christodoulos hat, rein theoretisch, über diese "Subjekte" nichts zu befinden. Andersherum hat der Patriarch keine Gewalt über die Gläubigen, die sich in den Grenzen des Landes bis 1912 befinden. Komplex, gell?

Überhaupt könnte man annehmen, dass der ehrwürdige Patriarch von Konstantinopel der Chef aller Griechisch-Orthodoxen weltweit ist. Ist aber nicht so. Es gibt insgesamt 15 voneinander unabhängige griechisch-orthodoxe Kirchen auf der Welt, die britische, die rumänische, US-amerikanische, slovakische etc. [keine deutsche!]. Eine von den 15 ist die von Konstantinopel und der dortige Patriarch ist nur "Erster unter Gleichen" und leitet als Präsident die regelmäßig stattfindenden gemeinsamen Konferenzen. Aber er kann den anderen nichts vorschreiben. Die Köpfe der anderen Kirchen nennen sich entweder Patriarch oder Erzbischof. Allerdings ist der Patriarch von Konstantinopel der "spirituelle Führer" und damit "Chef" der Republik Athos.

Übrigens: warum der neue griechische Staat 1830 eine eigene orthodoxe Kirche benötigte, lag auf der Hand: 1. war der Patriarch im osmanischen Reich und hatte während des gesamten Befreiungskampfes GEGEN die griechische Unabhängigkeit agitiert (als Befehlsempfänger der Türken). 2. benötigte der Staat die absolute Kontrolle über alle Dinge, einschließlich der religiösen, also musste eine Staatskirche her.

Grüße,
Rainer
In der heutigen H Kathimerini haben sich zwei der Hardliner in der Regierung zu Wort gemeldet, denn die Diskussion um die Trennung von Kirche und Staat wird lauter und lauter und lauter und lauter...:

" “At this moment in time, when the Church of Greece appears to be wounded, we should not approach the problem on political or ideological terms,” said Justice Minister Anastassis Papaligouras.

“The government has no intention of starting a dialogue to change the status in the relationship between Church and State,” Education and Religion Minister Marietta Giannakou told Parliament."

http://www.ekathimerini.com/4dcgi/_w_art...2900</A&gt;

Der Premierminister Karamanlis allerdings sitzt zwischen den Stuehlen und aeussert sich in gewohnter Manier: gar nicht. Die Konservativen fordern von ihm eine Reform der Beziehungen zwischen Staat und Kirche; Christodoulos hat fuer das Ende des Monats eine Synode anberaumt.

Im Moment ist dies sicherlich das interessanteste Thema seit langem, was griechische Innenpolitik angeht.

Ich bin ja mal gespannt...

Carmen
Frankfurter Rundschau:

http://www.f-r.de/ressorts/nachrichten_u...0741</A&gt;


Der Tagesspiegel:

http://www.tagesspiegel.de/politik/index....asp</A&gt;


Mehr finde ich nicht, ist wohl nicht gerade ein wichtiges Thema im Ausland Smile