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Normale Version: Christodoulos gibt sich selbstbewusst
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http://www.ekathimerini.com/4dcgi/_w_art...3205</A&gt;

Erzbischof Christodoulos versteht die Zeichen der Zeit und hat offenbar hektische Reformen der Kirche im Sinn, um eine Trennung von Staat und Kirche abzuwenden. Es geht hierbei nicht nur um Macht - vielmehr geht es um Geld.

Da droht er auf der einen Seite, den Staat vor einen internationalen Gerichtshof zu zerren, wenn der Staat zukuenftig nicht mehr die Ausbildung, Gehaelter und Renten der Priester uebernehmen wolle, um enteignetes Land zurueckzuerhalten. Andererseits sagt er, die Kirche wuerde eine Trennung unbeschadet ueberstehen.

Das glaub ich gern, so reich wie die Kirche ist... Ploetzlich faellt den Kirchenfuersten auch ein, dass die Kirche sich als soziale Einrichtung betaetigen sollte. Prima. Wird auch Zeit.

Als allererstes koennten die Priester mal aufhoeren, Haussegen nur gegen Schwarzgeld auszusprechen. Und als zweites koennten sie, statt immer groessere Kirchen zu bauen, stattdessen Kindertagesstaetten einrichten. In meinem Stadtteil gibt es im Umkreis von nur 1 Kilometer mindestens drei fette Kirchenneubauten, wo vorher auch eine kleine gereicht hatte, aber nur einen staatlichen Kindergarten und ein furchtbar heruntergekommenes Altenheim.

Es gibt viel zu tun, wenn ihr nicht wisst, wo ihr anfangen sollt: ich hab da ne Menge Ideen...!

Carmen
Carmen schrieb:

> Und als zweites koennten sie, statt immer groessere Kirchen zu bauen, stattdessen Kindertagesstaetten einrichten. In meinem Stadtteil gibt es im Umkreis von nur 1 Kilometer mindestens drei fette Kirchenneubauten, wo vorher auch eine kleine gereicht hatte, aber nur einen staatlichen Kindergarten und ein furchtbar heruntergekommenes Altenheim.

Und nicht nur Kindertagesstaetten... Gerade erst an diesem Wochenende ist mir etwas aufgestossen, das ich schlicht als Skandal bezeichnen moechte.
Auf Aegina haben wir das Kloster des (armen) Agios Nektarios, der sich wohl im Grab umdrehen wuerde, wenn er saehe, wie mit seinem Namen und dem Rest seiner Gebeine abgesahnt wird. Die Kirche hat sich da ein bombastisches Kloster hingestellt, und nun gibt die Peripheria (der Staat also) - nun alles mal herhoeren! - 150 (in Worten: einhundertfuenfzig) Millionen Euro zur Verschoenerung des Gelaendes!!! Da kocht es nur so in mir.... weil naemlich:
1) Aegina hat die schlechtesten Strassen weit und breit
2) Aegina hat die schlechteste (staatliche) Krankenversorgung
3) Aegina hat das teuerste Wasser - und das ist NICHT trinkbar und taugt nicht mal mehr zum Giessen (ist wahr!!!)
4) Aegina hat nicht genug Schulen, staatl. Kindergaerten, kein Altersheim
5) Aegina hat wunderbares Meer (verdanken wir dem (Golf von Korinth), aber die dreckigsten Straende
6) Aegina hat keine Ringkanalisation und keine funktionierende Abfallbeseitigung
... und das ist noch lange nicht alles!
Ich befuerchte nur, dass auch die Trennung von Kirche und Staat nicht viel an diesen katastrophalen Zustaenden aendern wuerde - denn auch fuer diese 150 Mio wuerden sich schon ein paar Haende unter dem Tisch finden.
Aaaaaaaaah!!!!
Hallo,
ja, Carmen, mich wuerde schon mal interessieren, was du fuer Ideen hast, was man gegen mangelnde Sozialeinrichtungen machen koennte. Das meintest du doch, oder?
Oder meintest du, dass man generell die miesen Machenschaften der gr.orhodoxen Kirchenvertreter, insbesondere zahlreicher Bischoefe, bzw. unverheitateter zoellibataerer Moenche, etc. verurteilen und ueber die wie ueberall stattfindende Schwarzgeldwirtschafterei reden sollte?
Auch da gebe ich dir Recht. Aber etwas stoert mich:
Die Schwarzgeld einsteckenden Priester mag es ja geben aber bitte verallgemeinere das nicht so. Wenn man deine Beitrag liest kann man den Eindruck bekommen, dass alle Priester geldgierige Scheinheilige sind.

Ich kann dazu nur einen Bericht aus eigener Erfahrung liefern:
Mein Schwiegervater ist Priester in Heraklion, hat 4 Kinder, weiss also, was Familienleben bedeutet.Der Kirche angegliedert ist ein Centro, wo jeden Tag nach der Kirche eine Art Armenspeisung durchgefuehr wird. Ausserdem sammelt die Kirche Kleidung und andere Sachspenden, um sie an Hilfsbeduerftige weiterzugeben. Der Priester ist meist auch der einzige, der weiss, wer Hilfsbeduerftig ist, da man meist zu ihm kommt, um zu reden.
Zum Thema "Haussegen nur gegen Schwarzgeld" kann ich sagen:Mein Schwiegervater nimmt kein Geld von Familien, von denen er weiss, dass sie finanziell klamm sind.Ob das nun die Ausnahme ist kann ich nicht beurteilen.

Letztendlich interessiere ich mich auch deshalb so fuer deine Tipps, da ich glaube, dass als allererstes ja doch die Glaubigen, also 99 Prozent aller Griechen aufmucken sollten bei so viel verprasstem Geld. Warum schreit denn deiner Meinung nach keiner nach Veraenderungen???DAS verstehe ich auch nach fast 10 Jahren in Griechenland nicht. Sind alle so daran gewoehnt? Ist sich jeder selbst der Naechste?
Meine Schwiegereltern sind von der Enthuellungen ueber die Machenschaften der Kirchenoberen zutiefst bestuerzt und beschaemt.

Was also koennen WIR tun???

Ratlose Gruesse, Susanne
Interessante Fragestellung, Susanne!

Zunaechst faellt mir dazu ein, dass *wir*, also mindestens *ich* aktiv gar nichts veraendern koennen, denn ich bin ueberhaupt kein Kirchenmitglied. Da faengt es schon an: Ich denke, bei allem ehrlichen Respekt, dass eine Glaubensgemeinschaft eher den Status einer freiwilligen Community haben muss, so wie zB in Deutschland auch. Ich halte Zwangsmitgliedschaften in Glaubensdingen (wie auch in anderen gesellschaftlichen Zusammenhaengen) nicht fuer richtig und bin froh, dass heutzutage auch diejenigen Beamte werden koennen, die eben nicht griech-orth. getauft sind.

Ich halte daher auch die Fianzierung aus meinen Steuergeldern fuer *nicht* richtig, sondern wuerde einen Clubmitgliedschaftsbeitrag fuer gerechter halten. So wie in D, ich sagte es. Wir muessten sonst anders herum naemlich auch erlauben, dass zB die kommunistische Partei vollstaendig aus Staatsmitteln finanziert wird.

Geld fuer Haussagen: ich musste schmunzeln, dass Dein Schwiegervater kein Geld von armen Familien nimmt. Von anderen aber schon. Das darf er aber nicht Smile Dieser Service ist in seiner Arbeitsplatzbeschreibung enthalten und hat die Kirche (also die Priester) kostenfrei zur Verfuegung zu stellen!

Dennoch scheint mir Dein Schwiegervater ein positives Beispiel zu sein. Derer gibt es, zum Glueck gibt es sie. Auch in Athen gibt es an vielen Orten die "Allilegii", Solidaritaets-Einrichtungen mit Speisung und Kleidung. Natuerlich gibt es auch ueberall gute und hilfsbereite Menschen, auch unter den Priestern, besonders oft in "remote areas" (faellt mir gerade nicht auf deutsch ein.

Aber die Masse ist eben nicht so, und darueber wird geschimpft, an jeder Ecke. Hattest Du den leitartikel der Athens News vor 2 oder drei Wochen gelesen? Ich hatte ihn verlinkt. Auch dort ist, was ich angesprochen hatte, grosses Thema.

Ich kann und will im uebrigen keine Konzepte fuer die soziale Aktivitaet der griech-orth Kirche entwickeln. Aber ich kann benennen, was ich von einem Verein, der sich dem Wohl der Gesellschaft verschreibt und dafuer eine Menge Geld aus dem Steuersaeckel und aus den privaten Taschen vieler Privatleute erhaelt, erwarte.

Und da macht es mich halt sauer, wenn ich gigantische Schilder wie ueber dem Kirchenneubau hier in der Nachbarschaft lese "Spendet fuer den Ausbau des heiligen Tempels", aber keine Sammlung fuer das verkommene Loch von Alterheim sehe. Keiner unserer Priester in der Nachbarschaft fuehlt sich zustaendig.

Und es aergert mich, wenn Priester in der Osternacht die Liturgie auf 40 Minuten verkuerzen, um 23:30 h gehetzt in ihr Auto springen und eine zweite halten, privat in einer Privatkapelle eines, der sich eine private Osterfeier erkaufen kann. Es aergert nicht nur mich, auch meine Nachbarn "ti na kanoume", die sagen, sie koennen froh sein, dass er ueberhaupt den Ostersegen gespendet hat.

Dein Schwiegervater wuerde das sicherlich nicht tun. Aber es sieht so aus, als ist die Masse der Priester schon anders drauf. Liegt vielleicht auch an der Anonymitaet der Grosstadt, wo der Priester sich eben als Dienstleister fuer eine Nachbarschaft versteht, in die er hinversetzt wurde.

Es bringt nicht viel, Einzelbeispiele gegen einander aufzuzaehlen. Dass die Masse der Priester sich ziemlich unchristlich verhaelt, kannst Du easily in jeder Zeitung nachlesen oder in den beruehmten Tv-Sendungen hoeren. Auch ich koennte viele Beispiele auflisten, auch aus kleinen, ganz kleinen Inseln, wo der Priester sich wie der Feudalherr gebaehrdet.

Ich finde es gut und richtig, dass zunaechst drueber geredet wird. Das ist nach meinem Eindruck in GR etwas voellig neues - und Deine Frage, weshalb nicht alle Griechen sich dagegen auflehnen, ist mir etwas unverstaendlich. Es sind doch schon rund 50% fuer die Trennung von Kirche und Staat!

Bisher war dieses Thema aber, sagen wir, angstbehaftet. Bisher ist die Erziehung vom Kleinkindalter an dahin ausgerichtet, dass man der Kirche ewigen Dank schuldet, weil sie angeblich die grosse Schutzburg gegen die grausamen Tuerken war. Es gibt bisher nur wenige Stimmen, die mit dieser (zumindest) Ueberzeichnung aufraeumen wollen. Aber wenn Du mal genau schaust: zumindest hier in der Grosstadt gehen immer weniger junge Menschen in die Kirche. Ostern etc. mal ausgeschlossen, aber da geh sogar ich Smile Wenn Du den juengeren Leuten zuhoerst, dann moegen sie zwar eine Reihe der Traditionen wie Osterfeiern, Haussegen, Hochzeiten, aber die Ueberwachung und Gaengelung geht ihnen auf die Nerven. Aber schon aus respekt der Mutter gegenueber, die womoeglich glaeubig ist, wuerden sie sowas nur zu Leuten sagen, denen sie wirklich vertrauen.

Tja, was koennen wir tun? Ich diskutiere viel mit Griechen. Ich habe oft gesehen, dass Menschen nachgerade pubertaer aggressiv werden, wenn es um die Kirche geht, ja nicht mal eine Kirche betreten wollen. Ich diskutiere mit ihnen, denn man muss die Kirche nun nicht als Feindbild sehen und nicht innerlich ausspucken, wenn man einen Priester sieht. Aber man kann sich politisch dafuer einsetzen, dass die Kirche endlich eine andere Rolle uebernimmt: naemlich die, der sich auch dein Schwiegervater verschrieben hat. Als unterstuetzende und helfende Sozialeinrichtung, die noch dazu ueber ausreichend finazielle Mittel verfuegt, effektiv zu wirken.

Ich denke, als erstes muss die Trennung von Kirche und Staat her. Dann muss eine umfassende Reform her, die auch die Verteilung der unbestreitlich vorhandenen finanziellen Mittel neu bestimmt. Und dann muss von innen heraus action her. Aber solang die oeberen Kirchenfuersten es nicht fuer sinnvoll und notwendig erachten, Millionen und Abermillionen in die Sozialarbeit zu stecken (inform von Kindergaerten, Altenheimen etc), wird sich nichts tun.

Wie gesagt, ich denke, es ist eine politische Frage. Die Trennung von Kirche und Staat *muss* her, sonst bewegt sich in den oberen Kirchenetagen (also bei denen, die auf dem Geld hocken) auch ueberhaupt nichts.

Dass es Massendemos fuer eine Trennung und eine Reform der Kirche gibt, ist mehr als unwahrscheinlich. Zu psychologisch, das Thema, zu angstbehaftet.

Carmen
Carmen schrieb:

> Ich denke, als erstes muss die Trennung von Kirche und Staat her.

Moin !

Trennung von Staat und Kirche .. generell sicher absolut notwendig.
Mir stellt sich jedoch die Frage - und vielleicht kann die jemand beantworten - was würde in GR dann *konkret* passieren ?
Ich habe in Gesprächen die Erfahrung gemacht, dass trotz aller vorhanden Kritik (bis hin zur Verachtung) die Kirche doch als einzige Konstantante angesehen wird (der Staat kommt dabei erheblich schlechter weg).
Es dürfte also bei dem Machtanspruch den die Kirche (wenn vielleicht nicht immer öffentlich geäussert) hat, nur eine Frage der Zeit sein bis eine kirchliche oder uneingeschränkt kirchennahe Partei auf der politischen Bühne erscheinen wird.
So könnte durch die Trennung von Staat von Kirche die Kirche plötzlich und ganz legal (indirekt) zum Staat werden ...- oder sehe ich das zu pessimistisch/ zu naiv ???

> Carmen schrieb:
>
> > Ich denke, als erstes muss die Trennung von Kirche und Staat her.
>
Uli K. schrieb:
> So könnte durch die Trennung von Staat von Kirche die Kirche plötzlich und ganz legal (indirekt) zum Staat werden ...- oder sehe ich das zu pessimistisch/ zu naiv ???

Du meinst, nach zB islamistischen Vorbildern? Und dass die Gefahr bestuende, statt eines Ayatolla einen Patriarchen als Staatsoberhaupt zu haben?

Carmen
Carmen schrieb:

> Du meinst, nach zB islamistischen Vorbildern? Und dass die Gefahr bestuende, statt eines Ayatolla einen Patriarchen als Staatsoberhaupt zu haben?
>
> Carmen

Hmmm, ... in letzter Konsequenz .. *ja* - wobei ich zunächst eher an einen von der Kirche *gesteuerten* "Staatsmann" und eine damit einhergehende, grundlegende politische Infiltration dachte. - Ausgehend von einer demokratisch gewählten, neuen "Volkspartei".

Gruß Uli
Uli K. schrieb:
>
> Hmmm, ... in letzter Konsequenz .. *ja* - wobei ich zunächst eher an einen von der Kirche *gesteuerten* "Staatsmann" und eine damit einhergehende, grundlegende politische Infiltration dachte. - Ausgehend von einer demokratisch gewählten, neuen "Volkspartei".
>

Ahnee, doller als jetzt wird's wohl nicht werden. Christodoulos' Irrglaube war ja, dass er und seine Mannen unanfechtbar waeren, weil er seinen Einfluss ueberschaetzt hatte.

Ich glaube auch ganz wirklich nicht, dass die Kirche ihren politischen Einfluss weiter ausdehnen kann. Dann waere es naemlich jetzt schon so. Die Entwicklung geht eher in die andere Richtung, Abnahme des Einflusses, auch in der Bevoelkerung.

Gruss, Carmen
Hallo!!
Ich glaube auch, dass der Einfluss der Kirche immer weiter abnehmen wird. In meinem Bekannten- und Familienkreis gibt es kaum wirklich glaeubige Kirchengaenger und mich selbst wuerde ich schon fast als Atheisten bezeichnen, was das Ganze nicht einfacher macht, auch im Hinblick der Erziehung unserer Kinder(remember: Vater der Kids ist Priestersohn) aber das gehoert in einen anderen Thread.
Wie schon erwaehnt, waechst hier jeder von Kindesbeinen in die gr.-orthodoxe Kirche ein, ausserdem musste ich bei unsere Hochzeit unterschreiben, dass die Kinder gr.-orth. getauft werden.
Mein Mann geht aber ausser Ostern nie in die Kirche und auch sonst keiner von unseren Bekannten.
Die Kirchen sind voll mit Omas und Opas (schoen nach Geschlechtern getrennt sitzend,ohgottohgott!!!) und ansonsten schauen die Leute kurz rein, werfen eine Muenze ins Saeckel udn zuenden eine Kerze an, das geht fast automatisch, hat man ja schon immer so gemacht.

Mit der gleichen Selbstverstaendlichkeit wird auch der Priester selbst "bestochen", einem senen Segen zu geben, womit wir wieder bei meinem Schwiegervater sind. Gerade heute habe ich mich mit ihm ueber dieses Thema unterhalten. Er sagte mir, dass die Leute sich beleidigt fuehlen, wenn er ihr Geld nicht annehmen will. Viele fuehlen sich einfach erleichtert, ihre monatlich Haussegnung gewaehrt zu bekommen, erinnert tatsaechlich etwas an Ablass- Zahlungen, nur mit dem Unterschied, dass in meinem speziellen Fall nicht der Priester was verkauft, sondern die Leute regelrecht erwarten, dass sie fuer ihre Suenden "bezahlen "muessen.
Ist schon irgendwie pervers, oder?
Natuerlich stimme ich absolut mit Carmen ueberein, dass es unglaublich viele schwarze Schafe gibt, die die Glaebigen abzocken.
Ich wollte nur auch mal ein positives Beispiel erwaehnen, denn man wird schnell dazu verleitet zu glauben, dass die ganze Kirche ein korupter Haufen ist (was ja auch groestenteils stimmt) wenn man nur den reisserischen (TV) Berichten folgt.

Das ist in der Tat ein sehr komplexes Thema , habe nur grad keine Zeit , weiter zu schreiben.
Wuerde mich schon interessieren, was andere so darueber denken und gruebele auch noch ueber Alltagssituationen, wo man was zum Positiven veraendern koennte, schliesslich leben wir ja hier und uns kann es nicht ganz egal sein, was um uns herum geschiet, oder??

Gruebel, Susanne
Ich wuerde mich auch freuen, wenn sich noch mehr zum Thema meldeten.

Muss aber auch zugeben, dass ich bisher noch nicht eine Sekunde darueber nachgedacht hatte, was ich persoenlich, oder wir als Mitglieder (?) der griechischen Gesellschaft eigentlich beitragen koennten... und das geht mir jetzt auch nicht mehr aus dem Kopf Wink

Ich weiss auch gar nicht, wie Priester eigentlich denken. Ich stimme mit denjenigen Griechen ueberein, die sich empoeren, wenn sie einen jungen Priester im Seidengewand, mit wunderschoen ondulierten Lockenhaaren und hochglaenzendem Bart sehen - wo doch die Einheitskluft, das lange Haar und der Bart *eigentlich* symbolisieren sollen, dass die aeussere Erscheinung nicht wichtig ist und Eitelkeit beim Dienst in Gottes Namen keinen Platz hat.

Ich habe keine Ahnung, wie Priester ausgebildet werden, was fuer Werte ihnen vermittlt werden und wie ihr Selbstverstaendnis eigentlich ist. Schwiegervaeter hier schreibender Communitymitglieder mal ausgeschlossen Smile

Vor drei oder vier Jahren gab's mal eine Priester-Rockband - was ne Aufregung. Aber solche Leute machen mir Hoffnung, ehrlich.

Mal sehen, was noch an Meinungen und Anstoessen beigetragen wird, wirklich hochaktuelles und zeitgeschichtlich wichtiges Thema, das wir hier anschneiden!

Gruss, Carmen
Hi !

Hier noch ein link zu einem aktuellen Artikel unter der Überschrift:
> "Fällt die heilige Kirche in Griechenland vom Sockel?"

http://www.jesus.ch/index.php/D/article/...1810</A&gt;

Gruß Uli
Carmen hatte in einem ihrer ersten Beiträge erwähnt, dass gängige Meinung ist, dass "die Kirche" "die Griechen" während der Türkenherrschaft gegen die Besatzer verteidigt bzw. es ihnen ermöglicht hat, überhaupt das "Griechentum" aufrecht zu erhalten und dass deshalb bis heute die Mehrheit der Griechen Respekt vor der Institution hat und eine Art ewige Dankesschuld abtrage.

Dazu ließe sich folgendes sagen:

Im Osmanischen Reich gab es verschiedene "millets", also Verwaltungseinheiten basierend auf der Religionszugehörigkeit. Der größte war natürlich der islamische Millet, und ein sehr bedeutender war der "Millet-i-Rom", der orthodoxe, der alle orthodoxen Christen (gemeint ist "Ostrom" also Konstantinopel) umfasste. Dem stand der Patriarch in Konstantinopel vor. Im Osmanischen Reich herrschte generell Religionsfreiheit, auch wenn die Nichtmosleme Bürger zweiter Klasse waren. Innerhalb des Millets gab es eine begrenzete Autonomie, so wurden zum Beispiel Rechtsstreitigkeiten zwischen orthodoxen Christen, sofern sie gewisse mindere Delikte betrafen, innerhalb des Millets geregelt. Die konkreten Lebensbedingungen für die orthodoxen Christen (aber auch alle anderen Untertanen des Sultans) hingen stark davon ab, wie die lokalen Potentaten herrschten, den Konstantinopel war für die meisten weit weg und ein tyrannischer Statthalter konnte den Angehörigen eines bestimmten Millets (oder allen) das Leben zur Hölle machen. Ein "gerecht" herrschender konnte dagegen für sehr gute Lebensbedingungen sorgen. Soviel zum Thema "Unterdrückung".

Interessant ist aber vor allem folgendes: Die Angehörigen des Millet-i-Rom waren keineswegs ausschließlich "Griechen", sondern auch jede Menge Albaner, Vlachi, Türken, u.v.a.. Die Religion und nicht die Ethnie bestimmte die Zugehörigkeit. Ebenso gab es Menschen, die sich als "Griechen" fühlten, aber anderen Glaubens waren. Die Zugehörigkeit zum "Griechentum" war ebenfalls durch Sitten und Gebräuche, durch Folklore und die Überlieferung von Geschichten, Sagen, Märchen etc. bestimmt. Die Kirche hatte einen gewissen Einfluss, u.a. auf die Aufrechterhaltung dieser Bräuche, aber war längst nicht der einzige Faktor in der Erhaltung einer "griechischen" Tradition. Als im späten 18. Jahrhundert die (im westlichen Ausland lebenden) ersten "griechischen" Denker daran gingen, ein griechisches Nationalbewußtsein zu begründen, fiel es ihnen sehr schwer zu bestimmen, wer den eigentlich "Grieche" sei. Die einen stellten die Orthodoxie in den Vordergrund, die anderen die Ethnie (die sehr viel schwieriger zu bestimmen war).

Was ebenfalls wichtig war: der Patriarch und die orthodoxe Amtskirche war stets ein getreuer Vasall des Sultans und bemühte sich nach Kräften, das osmanische Reich zu stützen, nicht zuletzt da es ihren Funktionsträgern sonst an den Kragen ging. Mit dem Unabhängigkeitskampf konnte der Patriarch also wenig anfangen und predigte vehement dagegen. Er war für die Aufrechterhaltung der Ordnung unter den Othodoxen des Reiches zuständig, und wenn er versagte, stand es schlecht um ihn. Das heißt nicht, dass einzelne Priester oder Klöster in Griechenland den Kampf nicht unterstützten, aber sie taten das gegen die Weisung der Amtskirche.

Und noch etwas: die tyrannischen oder auch "gerechten" lokalen und regionalen Potentaten des Reiches waren keineswegs ausschließlich türkische Muslime. Auch Angehörige anderer Ethnien und Religionen konnten in diese Funktionen aufsteigen. Es konnte also durchaus vorkommen, dass ein orthodoxer Grieche andere orthodoxe Griechen (qua Amtsmissbrauch) unterdrückte. Einige der höchstrangingen und loyalen Berater des Sultans waren Griechen, die sogenannten Phanarioten (= aus dem gleichnamigen Stadtbezirk Konstantinopels stammende Griechen). Teils hochgebildete Männer, die auch in andere Teile des Reiches entsandt wurden, um dort zu herrschen.

Wenn sich die Kirche also heute noch auf ihre heroische Rolle während der "brutalen Besatzungszeit" beruft, entspricht das meistenteils einer erfundenen Tradition, die sich natürlich in den Köpfen der heutigen Griechen, auch dank Schulunterricht festgesetzt hat. Als der neue griechische Staat gegründet wurde, ging er mit der Kirche eine Allianz ein, die beide Institutionen gegenseitig stützen sollte und in der diese Mythen ganz selbstverständlich perpetuiert wurden.

Grüße,
Rainer